Die Suche nach dem Göttlichen
Das Baby im Bauch hat noch das original Göttliche in sich, in seiner
menschlich werdenden Form, um es mit einem religiösen Begriff auszudrücken,
und in dieser "reinsten, saubersten" Form hat es schon unvorstellbare Fähigkeiten:
es hört und versteht alles, spürt die Personen, fühlt deren
Stimmungen - nimmt wahr, wenn auch in einer anderen, schwer beschreibaren
Weise. Und gerade deswegen, weil das Baby im Bauch noch voll in seiner
Entwicklung ist, wird oder sollte ein guter Arzt frühzeitig bemüht
sein, einen gefährdeten Lebensstil vom Baby abzuwenden, indem er die
Eltern darauf aufmerksam macht.
Mit der Geburt "verliert" das Kind diese vorgeburtlichen Fähigkeiten,
besser gesagt, sie sind ihm noch inne, aber der neue Mensch muß Zeit
seines Lebens versuchen diesen "verschütteten Schatz" zu suchen, ihn
wiederzufinden. Mit anderen Worten, in Kontakt mit seinem ureigenstem Wesen,
seinem Selbst, dem Göttlichen in sich zu treten oder einfacher gesagt,
Gott zu finden.
Unschuld
Bekannt ist auch der Ausspruch von der Unschuld der Kinder. Ein Blick
in die Bibel zeigt, daß diese Ansicht und Erkenntnis recht alt ist.
Jesus hat gesagt, daß die Menschen wie Kinder werden sollen, um den
Himmel zu erreichen. Und seit jeher waren die Menschen bemüht, Wege,
Formen, und Methoden zu finden, mit Hilfe derer sie ihren "verloren gegangenen
" göttlichen Teil wiederzufinden versuchen.
Dies kann man aus eigener Kraft erkennen, durch Erleuchtung finden.
Ebenso ist es möglich eine Methode zu finden, um wiederum eine gefundene
Methode weiterzugeben. Betrachten wir hierzu einmal Menschen, die eine
Methode gefunden haben und die darum bemüht waren sie zu vermitteln,
wie zum Beispiel Buddha seine Erleuchtung oder Jesus seine bedingungslose
Liebe.
Buddha und die Erleuchtung
Buddha (heißt in Sanskrit "der Erwachte, der Erleuchtete") versuchte
erfolglos sechs Jahre lang durch Askese in einem Eisberg sein eigentliches
Selbst zu finden, weil er glaubte, durch körperliche Leiden wäre
es ihm möglich es zu erkennen. Er tat, was sein Gewissen ihm sagte
und hat deshalb sechs Jahre lang umsonst gelitten. Schließlich sah
er ein, daß er vom rechten Weg abgekommen ist. Er erkannte, daß
er auch seinen Körper richtig behandeln muß und verließ
deshalb den Askeseort.
Angekommen in einem Dorf, reichte ihm ein Mädchen eine Kanne Milch,
wodurch er wieder zu Kräften kam. Dann wusch er sich im Fluß,
sammelte Gras als Unterlage, setzte sich bequem unter einen Lindenbaum
und schloß die Augen. Er ließ sein Innerstes, sein Selbst fließen
wie den Fluß. Frühmorgens am siebten Tag sah er einen strahlenden
Stern am dunklen Himmel und hatte den Höhepunkt seiner Erleuchtung.
Am Tage war dieser Stern für ihn immer unsichtbar, obgleich er
existierte. Um den Stern sehen zu können, braucht man Dunkelheit.
Das alleine reicht noch nicht aus, es dürfen auch keine Wolken davor
sein, sonst sieht man den Stern auch in der Dunkelheit nicht.
Buddha empfand seine Erleuchtung folgendermaßen: Der Stern
steht für die Wahrheit, die der Mensch in seinem Leben beständig
suchen sollte; die Sonne, die den Stern tagsüber überblendet
sieht er als Störung an , ähnlich der bei Menschen, die die Verantwortung
für ihr Leben aufgrund der Vorstellung eines Gottes in die Hände
Gottes abgeben.
Störungen
Auch das menschlich rationale Gedankengut, daß heißt bloßes, erlerntes Wissen, war für ihn "Störung"; ähnlich der Sonne, die den Stern am Tage unsichtbar macht und somit den Zugang zur Wahrheit verhindert. Die Wolken in der Nacht waren für Buddha gleichbedeutend mit dem menschlichen Körper. Wenn sich Menschen von "Störungen" ablenken lassen oder sogar sich davon abhängig machen lassen, dann vermögen sie die Wahrheit nicht zu erkennen. Die Erkenntnis, die Buddha hatte, war, daß man sich von der Vorstellung, daß es einen absoluten Gott gibt und von körperlichen Abhängigkeiten lösen soll. Der Buddhismus entwickelte sich im Laufe der Zeit weiter und erfuhr verschiedene Ausrichtungen.
Großmeister
Johann Whang
TAEKWONDO AKTUELL 5/94
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