Im zweiten Teil der Artikelsene über Ho Sin-sul, möchte ich näher auf die technische Methode gegen unsichtbare Gegner eingehen. Dazu gehören neben Meditation und Atemtechnik auch das Seon-tche dcho (sprich: son tschee tschoo), eine Art ,,täglicher Spezialgymnastik", die man auch mit modernem koreanischen Yoga umschreiben könnte.
Die Seon-tche dcho-Techniken haben ein Wechselspiel von Anspannung und Entspannung zur Grundlage. Das heißt, daß bei einer bestimmten Übung z.B. die Bein-muskeln angespannt, der Rest des Körpers aber entspannt sein muß. Durch relativ wenige Übungen wird der ganze Körper ausgewogen abgedeckt; es gibt keine einseitigen Belastungen. Hinzu kommt, daß durch beständiges Üben die Durchblutung und somit sämtliche Körperfunktionen aktiviert und ausbalanciert werden. Außerdem ist es förderlich für die Nervensysteme, insbesondere das autonome Nervensystem (in der Wirbelsäule), daß uns Bewegungen, die wir für selbstverständlich halten und automatisch machen (gehen) überhaupt erst ermöglicht.
Der Gesundheitszustand der Menschen wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflußt. Gerade heutzutage sind viele Menschen durch Zivilisations-, Berufskrankheiten und Umweltverschmutzung geschädigt (Suchtverhalten, krumme Wirbelsäule, Allergien). Die Selbstverteidigungstechnik Seon-tche dcho kann hier als Mittel zur Heilung eingesetzt werden. Noch besser wäre aber rechtzeitig vorzubeugen, so daß man erst gar nicht krank wird.
Man begibt sich in die Ausgangsposition einer Übung und atmet bei jeder Bewegung dieser Übung, die 2-3 Minuten dauert, ganz normal weiter. Man hält also die Luft nicht an, sondern atmet regelmäßig und ruhig tief ein und aus. Es bleibt dem jeweiligen Anwender überlassen für welche Methode der Atemtechnik des Seon-tche dcho er sich entscheidet. Beide Formen können gleichermaßen gelernt werden. Es gibt jedoch einige Punkte, die beachtet werden müssen.
1) Das Ausatmen darf nicht hastig sein. Man sollte sich einen leicht geöffneten Wasserhahn vorstellen, aus dem ein dünner, feiner, kaum hörbarer Wasserfaden fließt, man soll langsam und die Luft gleichmäßig dosiert ausatmen.
2) Das Einatmen funktioniert automatisch, wenn man die Technik des Ausatmens beherrscht.
Gerade zu Beginn, beim Erlernen der Atemtechnik, sollte man sanft und vorsichtig üben. Je nach Befinden wird sich der Erfolg früher oder später einstellen. Wichtig ist dabei nur, daß man geduldig übt und auf die innere Stimme des Körpers hört. Mit anderen Worten, man übt solange, wie es dem Körper Wohlbefinden bereitet. Ziel der Atemtechnik ist, eine beliebige Übung von 2-3 Minuten mit nur einem Atemzug zu machen.
3) Man soll nie mit vollem Magen üben, frühestens ca. 2 Stunden nach der letzten Mahlzeit.
4) Man soll nicht nach heißen Bädern üben.
5) Alles was bei der Übung stören oder verletzen kann soll vorher abgelegt werden. Schmuck (Ringe, Uhren, Ketten...), Accessoires (Gürtel...) oder einengende Kleidung.
6) Wenn man krank ist oder sich nicht gesund fühlt - mit dem Arzt sprechen.
7) Die Bewegungen/Übungen sollen immer gerade und korrekt ausgeführt werden. Ist die Ausgangsposition richtig, dann wird die Bewegung auch korrekt sein. Die Bewegungen der Übung sollen langsam ausgeführt und je nach Ubung, in der jeweiligen Position, angehalten werden.
Dazu ein praktisches Beispiel ans der Atemtechnik, welches das Wechselverhältnis von Anspannung und Entspannung im Körper verdeutlicht:
Man sitzt aufrecht, die Beine gerade und zusammen (Position A), atmet ein, beugt sich vor (hier geht schon 1/3 der Luft automatisch raus) und bleibt so (Position B). Nun hält man in Position B entweder die Luft an (Methode 1) oder man atmet ruhig weiter ein und aus (Methode 2). Wenn es nun zu einem leichten Ziehen oder Spannen in den Beinen kommt, ist das normal. Der Rest des Körpers muß aber völlig entspannt sein! Diesen Zustand des Ausgleiches, der Harmonie zu erreichen ist das langfristige Ziel und die Kunst der Übungen. Die Bewegungen der Übung und der Atem dazu müssen zueinander passen. Je nach Fähigkeit, wird gerade zu Beginn der eine schneller, der andere langsamer atmen. Wichtig ist dabei, daß Bewegung und Atemrhythmus zueinander passen. Aber beständiges und geduldiges Üben werden zum Ziel führen. Vorausgesetzt, daß man sich auch geistig/mental auf die Übungen und insbesondere die Spannungspunkte einstellt. Ganz nach dem Motto: ,,Dahin wo meine Gedanken fließen, geht auch meine Energie hin."
Grundsätzlich sind die Übungen, die man in dieser Photoreihe sieht, so aufgebaut, daß sie vom Kleinen zum Großen, vom Einfachen zum Komplizierten führen. Die Intensität wird langsam und stetig gesteigert und das ist wichtig. Unser Körper, der diese Bewegungen ausführt, besteht aus mehreren Körperteilen und diese Teile sind durch Gelenke miteinander verbunden. Diese Gelenke erfüllen die Funktion von Brücken, es gibt große und kleine davon. Und genau diese Gelenke dürfen in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Durch sie laufen sämtliche Nerven und alle wichtigen Energiebahnen (84 000 Meridiane!) unseres Körpers. Sind diese Brückenelemente, unsere Gelenke also, krank oder verschmutzt (durch Ablagerung) dann wird natürlich auch der Energiefluß behindert, wenn nicht sogar verhindert. Deswegen ist es wichtig, die Übungen langsam und beim kleinsten Gelenk (Hand, Fuß) anzugehen, um sie dann kontinuierlich zu steigern. Und so fangen Sie an:
Vorbereitungen für Seon-tche dcho
Diese Vorbereitungen sind eine Art Vorgymnastik, ein Warmwerden, das vor allem den Energiefluß (Ki) erleichtern soll. Sämtliche Übungen gelingen besser, wenn Sie konzentriert, also geistig voll dabei sind.
Großmeister Johann Whang
Handflächen gegeneinander reiben, damit sie warm werden.
Hand umgreifen und festhalten. Beide Handgelenke abwechselnd sanft
kreisen lassen.
Die Fußsohlen mit der Faust leicht schlagen, abwechselnd.
Das Fußgelenk mit einer Hand umgreifen, mit der anderen kreisen
lassen.
Den Kopf in beide Richtungen sanft kreisen lassen.
Die Kniegelenke kreisen lassen, beide Richtungen.
Die Hüfte groß kreisen lassen, beide Richtungen.
Die Füße fest hinstellen, dann die Arme und den Oberkörper
drehen, beide Richtungen.
Den Oberkörper nach vorne beugen, dabei die Beine gerade lassen.
Gespreizt hinstellen, dann den Oberkörper nach hinten drücken.
Mit der Handkante auf die Hüfte schlagen.
Mit den Fäusten aufs Kreuz, Bandscheiben und Po schlagen.
TAEKWONDO AKTUELL 5/93
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