Ho Sin-sul die letzte Rettung?

Tae Kwon Do: Kampf ist nicht alles

Es freut mich, daß ich an dieser Stelle die Möglichkeit bekomme, etwas über Ho Sin-sul zu schreiben, Ho Sin-sul werden Sie fragen, was ist das?

Ho Sin-sul ist ein koreanischer Begriff der wörtlich übersetzt Selbstverteidigungstechnik bedeutet Diese Art von Selbstverteidigung ist eng mit Tae Kwon Do verbunden, besser gesagt, er sollte eng damit verbungen sein. Leider ist dem nicht mehr so; selbst Meistern des Tae Kwon Do sagt Ho Sin-sul heute kaum etwas oder gar nichts. Dies liegt vor allem daran, daß Tae Kwon Do weltweit als Kampfsportart gelehrt, geübt und aufgefaßt wurde. Dies hatte aber zur Folge, daß es bei vielen zu einer reinen Kampftechnik verkommen ist.

Mit anderen Worten, man hat sich nur auf das Tae Kwon konzentriert und damit diesen Budosport aus seinem geistigen und philosophischen Hintergrund gerissen. Kurz gesagt, das Do - der geistige Weg, der ebenfalls den Schülern vermittelt werden sollte - ist in den Hintergrund getreten, schlimmstenfalls schon vergessen.

Was bedeutet das konkret? Für uns, für unser Leben? Es bedeutet, daß wir durch das Tae Kwon gelernt haben uns gegen sichtbare Gegner zu wehren, nicht aber gegen unsere unsichtbaren Gegner. Gerade Ho Sin-sul ist eine Technik, die breit angelegt ist und die sich hervorragend mit Tae Kwon Do zusammen dazu eignet gegen alle Formen des Angriffes vorzugehen.

Was sichtbare Gegner sind, ist eigentlich klar. Was aber sind unsichtbare Gegner oder Feinde? Zum Beispiel sämtliche Krankheiten, schädliche Umwelteinflüsse, die auf uns wirken usw.

Ho Sin-Sul ist auch eine Hilfe zur Selbsthilfe, die jeder erlernen kann, um sich vor (unsichtbaren) Gefahren zu schützen. Das ist eigentlich nichts Neues, denn seitdem es Menschen auf dieser Erde gibt, haben diese mit verschiedenen Formen und Methoden versucht so lange wie möglich sich zu schützen und zu (über)leben. Natürlich streben wir heute immer noch danach. Bestes Beispiel ist die hochentwickelte Medizintechnik, an die so viele glauben. Die Grenzen dieser Technik werden ebenso gerne übersehen, wie die Tatsache, daß man sich durch seine eigene Gläubigkeit an die Technik zu einem passivem, fremdbestimmten Menschen entwickelt. Dabei könnte man - beispielsweise mit Ho Sin-sul - den eigenen (Lebens)Weg, seine eigene Bestimmung selbst wählen und gestalten.

Sie sehen, daß Ho Sin-Sul ein breit angelegter Begriff ist, der viele Bedeutungen hat - der aber, und das ist wesentlich, mit Tae Kwon Do eine Einheit bilden kann, die zu einem ganzheitlichen (Lebens)Weg und Sein führt, sofern man es will. Jeder Leser, der unbefangen daran geht. sich diesen Ausführungen öffnet. wird von selbst zu der Überzeugung/Lebensauffassung kommen, die ich hier kurz skizziert habe.

Aber, dies sei betont, diese Methode der Selbstverteidigung aus Korea ist nur eine Form/Art dieses Thema anzugehen.

Ich möchte nicht behaupten. daß ich Ho Sin-Sul vollkommen beherrsche oder alles darüber weiß. Leider gibt es dazu auch keine schriftlichen Theorien, auf die man zurückgreifen könnte. Ich kann an dieser Stelle nur meine eigenen Erfahrungen und die meiner Schüler wiedergeben. Insofern bitte ich Sie um Verständnis und hoffe, daß der Beginn dieser Serie über Ho Sin-Sul auch dazu anregen wird, daß Sie daran mitwirken: in Form von Kritik, Beratung, Diskussion.

Wogegen kann nun Ho Sin-sul effektiv eingesetzt werden?

Ho Sin-Sul kann gegen

a) sichtbare Gegner und

b) unsichtbare Gegner eingesetzt werden.

Man könnte auch sagen, daß man sichtbare Gegner eher mit Tae Kwon (mehr körperlich) bekämpfen kann, wohingegen unsichtbare Gegner eher mit Do (mehr geistig) bewältigt werden können. Die technischen Methoden sind ebenfalls unterschiedlich.

I. Die technische Methode gegen sichtbare Gegner beinhaltet:

a) Ohne körpereigene Waffen - das heißt, ohne Schlagtechnik (keine Verletzungen)

b) Mit körpereigenen Waffen - das heiß?, wenn notwendig mit Schlagtechnik (z.B. Fuß oder Faust)

c) Mit zusätzlichen Waffen - zum Beispiel einem Stock als Kampfmittel.

II. Die technische Methode gegen unsichtbare Gegner beinhaltet:

a) Seon-tche dcho - (sprich: son tschee tschoo), eine Art ,,täglicher Spezialgymnastik", man könnte diesen Begriff auch mit modernem koreanischen Yoga umschreiben.

Gerade die Zivllisationskrankheiten zeigen uns, wie ungesund wir arbeiten und leben. So wird beispielsweise die Muskulatur sehr unterschiedlich und einseitig belastet. Mit Seon-tche dcho kann und soll die Muskulatur so schnell wie möglich ausbalanciert werden. Bewußtes Üben ist der erste Schritt zur Selbstliebe und Gesundheit.

b) Meditation - Tcham Seon (sprich: tscham son)

c) Atemtechnik - Dan-Dchon Hohup (don dschon hoohup); darunter ist eine spezielle Atemtechnik zu verstehen, die man auch mit den chinesischen Begriff ,,Ki Gong" umschreiben könnte.

Durch diese Atemtechnik wird kosmische Energie (Ki) aufgenommen und zielgerichtet verwendet - um lange, gesund und harmonisch zu leben.

Ho Sin-Sul besteht demnach aus den Bestandteilen II a-c und alle zusammen eignen sich, um die Gefahren der unsichtbaren Gegner anzugehen oder noch besser erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Unter diese unsichtbare Gegner können wir eigentlich alles zusammenfassen, was den Menschen und die Natur bedroht: Krankheiten. Umweltverschmutzung. Naturkatastrophen. Die Lage wird immer ernster und die Menschen glauben immer weniger daran, daß sie den Lauf der Dinge beeinflussen können. Viele resignieren, vielen scheint der ,,letzte Tag" sehr nahe. Dabei sollte nicht vergessen werden, daß gerade der Mensch sich selbst die größte Gefahr ist. Bestes Beispiel dafür sind die vielfältigen Formen seiner Abhängigkeit (Alkohol, Medikamente, Rauschgift und andere Drogen). Auch diese unsichtbaren Gegner könnte man mit der koreanischen Selbstverteidigung beseitigen.

Mehr als 5000 Jahre leben und lebten die Menschen in Korea mit dieser Weisheit und Lebenshilfe. Jahrhundertelang wurde es in den Klöstern und Eliteschulen wie Hwa-Rang-Do gelehrt. Dort wurde Ho Sin-Sul auch mit vermittelt zusammen mit einer ganzheitlichen Schulung (malen, singen, reiten, kämpfen...) fürs Leben. Warum also sollten auch wir Ho Sin-Sul nicht annehmen und es als Hilfe für diese aktuellen und akuten Gefahren (unsichtbare Gegner) anwenden?

Fortsetzung folgt

Oder: Ich hoffe. daß ich mit dieser kurzen Einleitung Ihr Interesse ein wenig geweckt habe. In der nächsten Ausgabe werde ich detaillierter auf Seon-tche dcho eingehen.

Großmeister

Johann Whang

TAEKWONDO AKTUELL 3/93

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